10 Schritte, um maximal schnell Geige zu üben

Ziehe den maximalen Nutzen aus deiner Übungszeit.

Lesedauer: 6 Minuten

Während man Geige spielt, werden alle Gehirnareal aktiviert und in den Prozess einbezogen. Diese Komplexität erfordert daher eine richtige Herangehensweise beim Üben. Nur wenn man richtig übt, kann man aus jeder Übungseinheit den maximal größten Nutzen ziehen.

Du trägst also die Verantwortung, dass du deine eigene Übungszeit mit dem Instrument so effizient wie möglich gestaltest. Aber keine Sorge, ich werde dir in diesem Artikel zeigen, wie du ab heute richtig übst. Geige lernen ist nämlich nicht so schwer, wie man glaubt.

Wenn man ein Instrument lernt, insbesondere als Hobby, sollte der Spaß immer an erster Stelle stehen. Und direkt an zweiter Stelle folgt der Fortschritt. Der Fortschritt sorgt nämlich nicht nur für langandauernden Spaß (wer hat schon Spaß, wenn man nicht von der Stelle kommt?), sondern lässt vor allem erkennen, ob man richtig übt.

Den Fortschritt darf man jedoch nicht in zu kurzen Zeitabständen messen. Du kannst also nicht erwarten, dass du ein Stück nach nur 5 Minuten bereits wesentlich besser spielen kannst. Was du aber sicherlich schon bei dir selbst beobachtet hast: Manchmal lernt man etwas und es klappt einfach nicht. Aber dann vergeht ein oder mehrere Tage und plötzlich kann man es doch. Wie von Geisterhand. Warum ist das so?

Unser Gehirn benötigt immer etwas Zeit, um neue Verbindungen bzw. Synapsen für neue Vorgänge aufzubauen oder alte zu stärken und zu gewichten. Diese Prozesse laufen in der Regel im Schlaf ab, während das Gehirn das Erlebte sortiert. Wir können diesen Prozess etwas steuern, indem wir das Gehirn durch richtiges Üben unterstützen und trainieren.

Und jetzt kommt das Paradoxon: Um den Lernprozess also insgesamt zu beschleunigen, müssen wir langsam üben.

Je langsamer man übt, desto schneller lernt man! Klingt erst einmal absurd, hat sich aber in der Praxis immer wieder bewahrheitet. Das ist übrigens nicht nur meine Erfahrung, sondern auch die meines Professors, seiner Dozenten und der Virtuosen der vergangenen Jahrhunderte, die über das Geigenspiel sogar Bücher veröffentlicht haben.

Ok, jetzt wissen wir, dass man langsam lernen sollte. Aber wie genau macht man das?

Mit den folgenden 10 Schritten, solltest du in der Lage sein, jedes noch so komplizierte Stück maximal schnell lernen zu können.

10 Schritte, um maximal schnell Geige zu üben


1

Bevor du mit dem Üben beginnst, muss dir der Notentext klar sein. Dazu gehören nicht nur die Tonnamen. Du musst dir auch den Rhythmus, die Taktart, die Vorzeichen, Ab- und Aufstriche und alle übrigen Zeichen vor Augen führen und verstehen.

Warum du das machen solltest, noch bevor du die Geige in die Hand nimmst: Wenn du übst, sollte der Text zur Nebensache werden. Erlaube deinem Gehirn, sich auf die physikalischen Abläufe zu konzentrieren. Wenn du dein Gehirn allerdings beim Üben mit der Interpretation des Notentextes überforderst, bleibt nicht mehr viel Kapazität übrig, um sich die Vorgänge einzuprägen.


2

Was für ein Stück spielst du? Handelt es sich um eine Etüde, in der ein paar technischen Sachen, wie eine neue Strichart, erklärt werden? Oder ist es ein Stück, welches einem lustigen Tanz oder eher einem traurigen Lied ähnelt? Gehe den Text noch einmal durch und merke dir, was besonders oft vorkommt. Erkennst du viele Saitenwechsel, ein bestimmtes Muster des Rhythmus, der Melodie oder Pausen?

Sobald du dir die Besonderheiten des Stückes gemerkt hast, kannst du dich bereits darauf einstellen. Dadurch kannst du nicht mehr von technischen Überraschungen überwältigt werden.


3

Führe dir die Form des Stückes vor Augen. Gehe durch den Text so, also würdest du eine Novelle oder eine Rede lesen. Bestimmte dabei, wo ein Satzende oder ein Komma sinnvoll wären.

Dieser Vorgang bedarf natürlich etwas Erfahrung mit der klassischen Musik. Das ist ein Grund mehr, weswegen ich meinen Schülern immer empfehle, sich regelmäßig klassische Musik anzuhören. Vor allem bei Mozart, Bach, Haydn und Händel lässt sich die Form sehr leicht heraushören. 

Tipp

Oft können Pausen oder lange Töne nach 3-4 Takten einen Anhaltspunkt bieten.


4

Ein Stück übt man am sinnvollsten in Abschnitten. In der Regel hat der Komponist das Stück bereits in logische Abschnitte unterteilt. Und die Form des Stückes, die du im letzen Schritt bestimmt hast, hilft dir diese Abschnitte zu erkennen.


5

Spiele nicht jedes Mal von Vorne bis Ende! Es es ist zwar gut, das Stück einmal im Ganzen gespielt zu haben, aber sobald man mit dem richtigen Üben beginnt, hört das "Alles spielen" auf. Warum?

Es ist weniger kompliziert in Abschnitten zu üben. Man muss sich innerhalb der Abschnitte nämlich nur noch auf wenige Sachen konzentrieren. Wenn man jedoch alles zusammen spielt, muss man sich entsprechend auch auf alles konzentrieren und du kannst dir bereits vorstellen, wie wenig davon am Ende im Kopf hängen bleibt.


6

Habe immer einen Bleistift am Notenpult parat! Immer, wenn du Schwierigkeiten hast oder einfach nur kurz die Bedeutung eines Zeichens vergessen hast, notiere es in die Noten. Vielleicht verwendest du auch an den gleichen Stellen immer wieder die falsche Strichrichtung, auch das notieren! Und zwar sofort, bevor du es vergisst.

Diese Notizen werden dir eine große Hilfe bei der nächsten Übung sein. Erspare dir die doppelte Arbeit und bringe so viele Sachen aus dem Kopf auf Papier, wie nur möglich. Dadurch schaffst du dir einen freien Kopf, um dich anderen Dingen zu widmen.


7

Achte beim Üben stets auf beide Hände. Wenn du auswendig spielst: super! Das erleichtert die Aufgabe ungemein.

Worauf solltest du achten?

Bei der linken Hand achtest du darauf, wie sich die Finger bewegen. Die Bewegung führst du immer langsam, schön und rund aus. Die Finger werden dabei nie höher als notwendig gehoben. Das spart nicht nur Energie, sondern erlaubt dir auch, schneller zu reagieren. Ebenso achtest du auf einen konstanten Druck, wenn du eine Saite greifst. Auch hier gilt: immer nur so stark drücken, wie notwendig.

Mit der rechten Hand erzeugst du den Klang. Hier solltest du darauf achten, dass der Bogen zunächst an der richtigen Stelle aufliegt und während des Striches nicht wegrutscht.

Versuche immer der Ursache auf den Grund zu kommen. Meistens ist die Ursache eine falsche Griffart oder eine Überspannung in den Armen. In unserem kostenlosen Lernzentrum findest du zahlreiche Anleitungen, um richtige Techniken zu erlernen und Überspannungen zu vermeiden.


8

Entspanne dich und bleib locker. Spanne deine Muskeln nur dann an, wenn es notwendig ist. Und auch dann nur die jeweils relevanten Muskelgruppen. Ist die Notwendigkeit nicht mehr gegeben, dann darfst du dich direkt wieder entspannen. Es klingt als eine Selbstverständlichkeit, doch leider vergessen es tatsächlich viele Schüler. Sie bleiben dann während des gesamten Stückes im ganzen Körper angespannt. 

Eine Überspannung kann nach einigen Jahren zu ernsthaften chronischen Schmerzen führen und das ist unbedingt um jeden Preis zu vermeiden. Geige kann man nämlich auch schmerzlos spielen. Die Überspannung raubt dir zudem auch die Möglichkeit, sauber zu spielen. So ist es z.B. unmöglich mit einem angespannten rechten Ellenbogen den Bogen vom Frosch bis zur Spitze so zu ziehen, dass er nicht in Schieflage gerät oder in Richtung Griffbrett rutscht.


9

Mach immer wieder Pausen. Die konstruktiven Unterbrechungen gehören zum gut geplanten Üben. Warum?

Zum einen gewinnt man Zeit, die neu gesammelte Erfahrung zu „verdauen“. Hierzu sollte man die Tätigkeit wechseln, um dem Kopf eine Erfrischung zu gönnen. Und zum anderen kann man diese gewonnene Zeit dazu nutzen, um einfache Entspannungsübungen durchzuführen.

Man kann diese Zeit auch nutzen, um weiter zu planen. Ich selbst nutze die Pausen gerne, um den Fortschritt meiner Übung zu analysieren und den Rest der Übung an die jeweilige Situation anzupassen.

Auf jeden Fall solltest du vermeiden, in der Pause im Internet zu Surfen oder einer Aufgabe nachzugehen, die sich schnell in die Länge ziehen kann.


10

Einige Abschnitte werden dir einfacher fallen, andere wiederum schwerer. Du solltest unbedingt vermeiden, komplizierte Abschnitte langsamer als die einfacheren zu spielen. Alle Abschnitte müssen konstant langsam geübt werden Anderenfalls werden sich die Temposchwankungen unweigerlich in deinem Kopf ablegen und es wird dich wieder Zeit kosten, dich zu entwöhnen.

Daher ist es empfehlenswerte in den ersten und letzten Phasen des Übens mit einem Metronom zu spielen. Profis üben auch noch nach Jahrzehnten mit einem Metronom, weil man diese Präzision nicht mit dem Kopf erreichen kann, auch wenn man den Schlag bereits sehr gut spürt.

Fazit

Merke: ein Stück im schnellen Tempo einige Male durchgespielt zu haben ist nicht gleich Üben! Auch wenn es nahezu fehlerfrei klappt, wirst du deine Technik nicht verbessern und im besten Fall lediglich auf dem gleichen Niveau bleiben. Viel mehr lernst du, wenn du langsam übst und jede komplizierte Stelle ganz genau betrachtest und isoliert übst. Gehe mit diesem System vor und du wirst jedes noch so komplizierte Stück meistern.

Lasse mich in den Kommentaren wissen, ob dir nun komplizierte Stücke leichter fallen.

Autorin: Daria Beizerov
Daria ist professionelle Musikerin und unterrichtet seit nunmehr 14 Jahren sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene. Darias tiefgreifende Expertise hat ihr ermöglicht, eigene Methodiken zu entwickeln. Sie legt dabei großen Wert darauf, die Kreativität zu kultivieren. Ihr geballtes Wissen stellt sie dir im Blog und im Lernzentrum zur Verfügung.
Hat dir der Artikel gefallen? Dann teile ihn jetzt mit deinen Freunden!
Teilen
>