Was ist Vibrato und wie kann man es lernen?

In diesem Beitrag lernst du das Vibrato kennen und wie du damit dein Geigenspiel bereichern kannst

Lesedauer: 6 Minuten

Der Violinklang ist insbesondere durch seine Ähnlichkeit zur menschlichen Stimme weltbekannt. Dazu tragen allerdings nicht nur die besondere Farbe und das breite Spektrum der Nuancen bei. Maßgeblich ist nämlich auch das wohl bekannte Vibrato – die feine wellenartige Veränderung der Tonhöhe. Es ist ein sehr schönes Werkzeug, welches beim richtigen Einsatz den Klang vorteilhaft verändern und durch neue Nuancen das Spiel bereichern kann.

Was ist Vibrato?

Schauen wir uns nun das Vibrato in aller Ruhe an. In Kürze weißt du, was das Vibrato überhaupt ist und welche Varianten der Ausführungen existieren. Und was unterscheidet eigentlich gutes Vibrato von einem weniger guten? Auch diese Frage bleibt nicht unbeantwortet.

Das Vibrato ist eine feine Veränderung der Tonhöhe, die durch gezielte Abfolge von Arm-, Hand- und Fingerbewegungen ausgelöst wird und den Ton bereichern und beleben kann. Dabei gibt es nicht nur eine Art des Vibratos, sondern drei. 

Die drei Arten des Vibrato unterscheiden sich jedoch lediglich dadurch, welcher Teil des Arms bzw. der Hand in Bewegung gesetzt wird, um die Tonhöhe zu verändern. Das sind auch schon zwei der drei Arten, nämlich das Hand- und Armvibrato. Das sind die zwei Klassiker. Als dritte Art gibt es noch das Fingervibrato, welches allerdings seltener vorkommt. 

Wir wissen bereits, dass beim Vibrato die Tonhöhe verändert wird. Diese Veränderungen sind aber sehr klein und wir müssen die Bewegung der Fingerspitzen sehr kontrolliert ablaufen lassen, um nicht bis zu den Nachbarnoten herauf- bzw. herunter zu gelangen. Nur wenn wir marginal unterhalb der Zielnote vibrieren, haben wir eine saubere Intonation. 

Daneben müssen wir auch stark aufpassen, dass wir die Amplitude der Veränderungen nicht nur klein halten, sondern auch konstant. Wenn wir also die Täler und Berge der Tonveränderung betrachten, dann müssen diese durchgehend auf einer parallelen Linie bleiben. Siehe dazu die Abbildung.

Vibrato Wellen auf der Geige

In der Theorie weißt du nun, wie ein Vibrato klingt. Aber wie klingt es tatsächlich? Hier sind zwei Aufnahmen, einmal mit und einmal ohne Vibrato zum Vergleich.

Ton Cis ohne Vibrato

So klingt der Ton Cis gespielt ohne Vibrato.

Ton Cis mit Vibrato

Und so klingt der Ton Cis, wenn man ihn mit Vibrato spielt.

Beispiel, wie ein falsches Vibrato klingt

Und hier hast du ein Beispiel, wie man es nicht machen sollte. So klingt es nämlich, wenn die Tonveränderung zu stark ist (also die Amplitude zu groß).

Achtung: unbequeme Wahrheit

Jetzt kommt die unbequeme Wahrheit für viele Geiger: Das Vibrato ist nämlich eine Wunderwerkzeug, um eine schlechte Intonation zu kaschieren. Viele Geiger nutzen das Vibrato, um Fehler in der eigenen Technik zu verschleiern. Natürlich ist das aber die komplett falsche Herangehensweise. Merke dir daher: Das Vibrato ist super, um dein Spiel zu bereichern, es sollte aber nicht genutzt werden, um Fehler zu vertuschen. Du solltest in der Lage sein, jeden Ton sauber zu spielen und genau wissen, wo er sich auf dem Griffbrett befindet.

Mit welchem Vibrato sollte man beginnen?

Erinnerst du dich noch an die unterschiedlichen Arten des Vibratos? Hand-, Arm und Fingervibrato. Welche Art du verwenden möchtest, kannst du selbst entscheiden. Wenn du aber gerade erst beginnst, empfehle ich, mit dem Armvibrato zu starten. Beim Armvibrato ist es nämlich am einfachsten, die Grundprinzipien zu lernen.

Vorgehensweise beim Vibrato

Der Name verrät es schon: Die Bewegung, die die Fingerspitzen in Bewegung versetzen, findet nämlich im Arm statt. Genauer gesagt: im Ellenbogen. Wichtig: Im Handgelenk findet keine Bewegung statt, sonst wird das Vibrato nicht gut klingen. Es könnte sogar passieren, dass man mit dem Handgelenk eine Gegenbewegung erzeugt und am Ende die die Ellenbogenbewegung auslöscht. Insgesamt bewegt sich also nur der Ellenbogen und die Fingergelenke. Insbesondere ist das Fingergelenk vor der Fingerspitze wichtig. Es muss schön weich und locker bleiben, damit es überhaupt zum Vibrato kommt. Dies gilt übrigens für alle Vibratoarten.

Im Handvibrato findet die Bewegung im Handgelenk statt. Dabei bleibt nun der Ellenbogen still. Auch hier müssen die Fingergelenke weich und locker bleiben.

Sowohl beim Hand- als auch Ellenbogenvibrato führen die zwei unterschiedlichen Bewegungen zum gleichen Ergebnis - die Fingerspitze wird auf einer Stelle gerollt und somit verändern wir die Tonhöhe ganz minimal. Die Richtung beider Bewegungen ist bei beiden Arten identisch: wir bewegen die Hand bzw. den Unterarm ENTLANG des Griffbretts, damit sich die Fingerspitze entlang der Saite bewegt. Dabei werden der Arm bzw. die Hand nicht nach rechts oder links verschoben.

Es ist am Anfang nicht so wichtig, welche Art des Vibratos du übst. Viel wichtiger ist, dass du diese beiden Arten nicht miteinander mischst und entweder die eine oder die andere Art in ihrer reinen Form verwendest.

Tipps zum Üben des Vibratos

Achte darauf, dass du erstmal ein langsames und kontrolliertes Vibrato übst. Wenn du das Gefühl hast, dass du jemandem die Hand schüttelst, dann machst du es vermutlich zu intensiv. Spiele zunächst nicht länger als 10-20 Sekunden und höre sofort auf, wenn du merkst, dass du die Bewegung nicht mehr kontrollieren kannst oder du ein unangenehmes Gefühl in den Muskeln bekommst. Achte dabei auch auf die grundlegenden Sachen wie eine stabile Geigenposition und konstante Geschwindigkeit im Bogen.

Die Geige gerät ins Wanken, wenn du mit Vibrato spielst? Das kann mehrere Gründe haben.


1

Die Schulterstütze und/oder der Kinnhalter sind unpassend und du musst die Geige mit der linken Hand halten? ? Selbstverständlich wird die Geige auf diese Weise durchgerüttelt, da sie schließlich von derselben Hand gehalten wird, mit dem du das Vibrato erzeugst. Lösung: die Schulterstütze und der Kinnhalter müssen so eingestellt sein, dass du in der Lage bist, die Geige nur mithilfe des Kopfs zu halten. Mehr dazu kannst du in unseren Grundlagen nachlesen.


2

Du drückst mit der linken Hand zu stark. Meistens kommt dieser Druck durch den Daumen. Lösung: Achte darauf, dass deine linke Hand locker bleibt und du gerade nur die Saite drücken kannst. Lass den Daumen dabei ganz locker und passiv.


2

Du bewegst deine linke Schulter mit, wenn du vibrierst. So gerät die Geige, die auf der bewegenden Schulter ruht, natürlich in Bewegung. Das passiert insbesondere beim Armvibrato. Lösung: Lass die Schulter ganz locker.

Vibrato verbessern

Wenn eine bestimme Art des Vibratos bereits zu deinem Repertoire zählt, kannst du selbstverständlich einige Variationen einbauen. Du kannst zum Beispiel mit verschiedenen Geschwindigkeiten des Vibratos experimentieren, von übertrieben langsam bis ganz schnell. Du kannst auch mit der Höhe der Amplitude, mit der du vibrierst, spielen. Wenn du verschiedene Variationen beherrschst, kannst du jedem Ton gezielt einen bestimmen Ausdruck und Farbe verleihen.

Für Fortgeschrittene lohnt es sich auch, zu lernen, das Vibrato innerhalb eines Tones zu verändern bzw. die Menge des Vibratos innerhalb eines Tones zu variieren.

Zum Schluss möchte ich dich noch einmal darauf hinweisen: Das Vibrato ist keine Ausrede nicht an der Bogentechnik zu arbeiten. Wenn du ohne Vibrato einen schönen Klang erzeugen kannst, dann kannst du es höchstwahrscheinlich auch mit einem Vibrato. Mit einem Vibrato kannst du aber die fehlende Bogentechnik nicht ausgleichen, es dir aber schnell als Abkürzung angewöhnen.

Das Vibrato ist nur die letzte feine Schicht Lack auf einem Möbelstück. Wie gut das Holz verarbeitet ist, welche Form es hat, wie schön es geschnitzt ist, wie glatt die Oberfläche vor dem Lackieren ist - das sind die Fragen, um die man sich vor dem „Lackieren" kümmern sollte.

Autorin: Daria Beizerov
Daria ist professionelle Musikerin und unterrichtet seit nunmehr 14 Jahren sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene. Darias tiefgreifende Expertise hat ihr ermöglicht, eigene Methodiken zu entwickeln. Sie legt dabei großen Wert darauf, die Kreativität zu kultivieren. Ihr geballtes Wissen stellt sie dir im Blog und im Lernzentrum zur Verfügung.
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